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Ergebnisse der großen Besucher- und Nichtbesucherbefragung vorgestellt

Audience Development Projekt für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, die Kunstsammlungen Chemnitz und das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Schloss Charlottenburg

Ziel des Audience Development Projektes war es, neben der Beschreibung der aktuellen Besucher*innen-Strukturen in den teilnehmenden Institutionen, deren Verhaltensweisen, Besuchsmotivationen und Zufriedenheit mit dem Veranstaltungs- und Ausstellungsangebot in Erfahrung zu bringen. Zudem sollte der Blick auf bisher noch unerschlossene, potenziell zukünftige Besucher*innen gerichtet werden.

Aus qualitativen Leitfaden-Interviews mit Selten- und Nichtbesucher*innen, mit Stakeholdern und Expert*innen wurden Erkenntnisse für passende Konzepte und zielgruppengerechte Angebote für einen lohnenden Besuch von Schlössern und Museen entwickelt und abgeleitet. Basis dafür war eine umfangreiche Analyse der Bedürfnisse bisher noch unerschlossener Zielgruppen, deren Besuchsbarrieren und Begeisterungsfaktoren, die zu einem Besuch motivieren würden. Dabei wurden vier unterschiedliche Zielgruppen (Schüler*innen und Schülergruppen, Studierende, Regionalbevölkerung inkl. Familien und touristische Besucher*innen) betrachtet.

Hauptbarrieren, die den Besuch eines Museums oder Schlosses verhindern, sind über nahezu alle Zielgruppen hinweg das geringe Interesse an den dort präsentierten Inhalten, dem angestaubten Image und der Vermutung, dass ein Museumsbesuch langweilig oder elitär sein könnte, dass dieser nicht in die eigene Lebenswelt hineinpasst. Museen und Schlösser erscheinen bei Nichtbesucher*innen nicht auf der TOP-10-Liste ihrer Freizeitaktivitäten, hier existiert in der Region der untersuchten Museen ein zu großes Konkurrenz- und Überangebot. Das mag auch damit zu tun haben, dass oftmals die Einrichtungen und deren Angebote, Veranstaltungen und Ausstellungsthemen nicht bekannt sind, weil Informationsquellen und Medien für die Freizeitgestaltung genutzt werden, in denen Museen und Schlösser vermutlich keine Rolle spielen.

Begeisterungsfaktoren über alle Zielgruppen hinweg sind Komplett- und Kombiangebote mit hohem Erlebnis- und Genussfaktor, Ausstellungsthemen als Publikumsmagnete, die man gesehen haben muss, niedrigschwellige Veranstaltungen, Aktionstage oder Konzerte. Selbsterkundungsmöglichkeiten, die bedarfsweise gern digital mit Apps o.ä. unterstützt werden können, sind wichtig. Die Möglichkeit, mitzumachen, anzufassen, in Open Spaces mitzugestalten und sich in einer starken Interaktion mit den Gegenständen und Objekten der kulturellen Einrichtungen zu befinden, sind Leistungen, die von Studierenden, aber auch von der regionalen Bevölkerung und Familien mit Kindern gewünscht werden.

Junge Menschen wollen ihrem Familien- und Freundeskreis über diese Erlebnisse berichten, Studierende mit einem einzigen Kulturticket Museen und kulturelle Angebote möglichst kostenlos oder kostengünstig nutzen. Für die Regionalbevölkerung darf das Museum oder Schloss nicht in seinen Räumen bleiben, sondern sollte heraustreten und im Alltag und in öffentlichen Kontexten sichtbar werden. Das Erlebnis von Architektur, Kunst und Geschichte muss als gute Geschichte auch außerhalb der Institutionen erzählt werden können.

Orangerie des Schlosses Friedenstein in Gotha

In den Museen trifft man auf ein eher älteres Publikum. Zwei Drittel der Besucher*innen sind über 50 Jahre alt. Das Publikum in den Märkischen Schlössern und mitteldeutschen Museen ist meist noch etwas älter, die Kunstsammlungen Chemnitz und Schloss Friedenstein ziehen aber auch deutlich jüngere Menschen an. Mehr als jeder zweite Besuchende hat einen Hochschulabschluss, dazu kommen 20% mit Abitur. Knapp jeder Zweite verfügt über ein monatliches Haushaltseinkommen von über 3.000 €. In den Kunstsammlungen Chemnitz und teilweise auch im Kunstmuseum Moritzburg finden sich vermehrt Besucher*innen mit niedrigeren Einkommen von unter 2.000 Euro.

Bei den hohen Bildungs- und Einkommensniveaus der meisten Besuchenden zeigt sich aber tatsächlich der von den Nichtbesucher*innen befürchtete elitäre Rahmen. Nachvollziehbar wird, dass Menschen aus weniger elitären Lebenswelten sich in einer solchen (intellektuellen) Umgebung unwohl fühlen. Das bestätigt auch der Fakt, dass 66% der Besucher*innen museumserfahrene Menschen sind, die in den letzten 12 Monaten auch schon (mehrfach) in anderen Museen waren. Lediglich jeder zehnte Befragte ist Erstbesuchender, der zum ersten Mal in einem Museum ist. Dabei liegt deren Anteil in den Märkischen Schlössern und im Schloss Friedenstein vergleichsweise höher als in den anderen Museen. Zudem gehen in diese beiden Institutionen auch deutlich mehr Erstbesucher*innen, die schon über Museumserfahrung verfügen und regelmäßig auch andere Museen besichtigen. Aktive Museumsgänger*innen bzw. Stammbesucher*innen, die sehr häufig in Museen gehen, finden sich vor allem in Chemnitz und in Halle (Saale).

Bei mehr als jedem zweiten Besuchenden handelt es sich um einen touristischen Gast. Dabei ziehen vor allem die Märkischen Schlösser (67%) und Schloss Friedenstein (75%) Tourist*innen an. Fast jede zweite Touristin bzw. jeder zweite Tourist ist aufgrund des Museumsbesuchs in der jeweiligen Gegend und reist überwiegend mit dem eigenen PKW an. Vor allem im Urlaub in Berlin/Brandenburg und in Thüringen bleiben die touristischen Besucher*innen mehrere Tage (2 bis 5), übernachten im Hotel, in Pensionen oder bei Freunden und Verwandten. Sie geben vor allem Geld für Übernachtungen (65 €/Tag/Person) und Verpflegung (34 €/Tag/Person) aus und sind damit ein nicht zu unterschätzender Einnahmefaktor für die regionale Hotel- und Gastwirtschaft.

Zum Kulturerlebnis gehört für viele Besucher*innen auch der Genuss der regionalen Küche, weswegen mit Ausnahme der Stadt Halle (Saale) in den anderen Regionen der starke Wunsch nach mehr Angeboten in der Gastronomie existiert. Auch das korrespondiert mit der Nichtbesucher*innen-Befragung, in der dieser Faktor ebenfalls als Leistungs- oder Begeisterungsmerkmal definiert wurde.

Studiensteckbrief

Große Kulturbefragung in vier Stiftungen aus Berlin/Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Kunstsammlungen Chemnitz und Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)) im Auftrag der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), schriftliche Besucherbefragung, telefonische und persönliche Nichtbesucherbefragung, Fragebogenerstellung, Abstimmung unter den Institutionen, Feldarbeit, Datenerfassung/SPSS, Quality Checks und Plausibilitätskontrollen und Auswertung, Ableitung von Handlungsoptionen

  • Gebietskörperschaft: Berlin/Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen
  • Anzahl der Befragten: je Institution zwischen 400 und 1.000 Befragte (Gesamt 2.500 Befragte)
  • Erhebungsdauer: 50 Wochen

https://www.thueringer-allgemeine.de/kultur/gothas-friedenstein-haengt-vom-tourismus-ab-id237221391.html

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